Das Rittergut Kemmen

 

Das bereits 1430 urkundlich erwähnte Zeilendorf Kemmen ist etwa drei Kilometer südwestlich der Stadt Calau auf halben Wege zwischen genannter Stadt und der Autobahn A13 Berlin - Dresden gelegen. Die historisch gewachsene Gutsanlage hat ihren Standort unmittelbar nördlich der Dorfstraße am Ortsausgang in Richtung Calau.

 

Die historisch gewachsene und bemerkenswert geschlossene Gutsanlage prägte über Jahrhunderte das wirtschaftliche Leben der Gemeinde Kemmen. Seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind die Besitzer des ehemaligen Rittergutes bekannt. Mit seinen älteren Teilen ist die Anlage nach der Dorfkirche zweifellos die älteste und damit siedlungsgeschichtlich bedeutsame Bebauung des Dorfes.

 

Die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts vorgenommene Erweiterung des Herrenhauses zeigt mit dem Mansarddach und dem Giebeldreieck traditionelle Bauformen, die dem barocken beziehungsweise Formengut entlehnt sind. Auch die Terrasse mit ihrer die Breite des Zwerchhauses aufnehmenden Form und dem Feldsteinsockel sind Zeugnis der in den 20er und 30er Jahren gerade im ländlichen Raum bevorzugten konservativen Architektur. Damit kommt der Gutsanlage auch baugeschichtliche Bedeutung zu. Familiengeschichtliches Zeugnis ist die Grabstätte für die Familie Kehrhahn, den letzten Besitzern des Gutes vor der Überführung in Volkseigentum. Wesentlich im Zusammenhang mit der Erweiterung ist das Wirken Paul Kehrhahns (1889 - 1967).

 

Stadtbauliche Bedeutung besitzt die Anlage vor allem durch die Anordnung der Scheune, des Getreidespeichers und des Kälberstalles. Insbesondere die beiden letztgenannten, straßenbegleitenden Baukörper und die vom östlichen Ortseingang aus Richtung Calau über den ehemaligen Nutzungsgarten hinweg wahrnehmbare Scheune bestimmen das Erscheinungsbild der Dorfstraße.

 

Der durch die folgenden Baulichkeiten begrenzte Wirtschaftshof ist nur in den von den Nutzern für wesentlich erachteten Bereichen befestigt. Dazu gehören die Einfahrt in den Hof und auf das Herrenhaus zuführende Weg, die mit einem typischen Kopfsteinpflaster versehen wurden.


Das Herrenhaus

Das Herrenhaus über vieleckigem Grundriss ist in der Tiefe des Wirtschaftshofes aufgeführt und bildet dessen nördlichen Raumabschluss.

 

Der ältere Teil des verputzten Baukörpers entstand um 1800 als nicht-unterkellerter, eingeschossiger Fachwerkbau von sieben Achsen unter Krüppelwalmdach. Der Haupteingang lag ursprünglich in der Mittelachse, die in jüngerer Zeit zu einem Erker umgestaltet wurde. Der Zutritt erfolgt jetzt durch einen flachen, linksseitigen angeordneten Anbau über rechteckigem Grundriss mit flachbogiger Tür. Der Dachraum des älteren Bauteils wird zum Wirtschaftshof hin durch drei Fledermausgauben belichtet. 

 

In östlicher Verlängerung der Fassade sowie des westlichen Anbaus stellen Mauern mit Durchfahrt und Durchgängen die Verbindung zu den Flügelbauten des Wirtschaftshofes her. Der Sockelbereich der Mauern besteht aus Feldsteinmauerwerk, die darüber vermauerten Ziegel wurden verputzt und die Mauerkrone mit Dachziegelsteinen abgedeckt. Die östliche Mauer weißt drei halbrunde Öffnung auf. Der Flachbogige Durchgang mit Backsteinrahmung ist wie die westliche Durchfahrt übergiebelt.

 

 

Der jüngere, nördlich versetzte Teil des Herrenhauses stammt aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts und ist durch einen Mitteltrakt mit dem älteren Teil verbunden. Der eingeschossige verputzte Ziegelbau besitzt einen hohen Sockel, der mit Naturstein und Klinkern verblendet ist. Die Nordseite wird durch ein zweigeschossiges Zwerchhaus von drei Achsen mit abschließendem Dreiecksgiebel dominiert. Eine Terrasse führt von der Nord- zur Ostseite, deren einstige säulengeschmückte Loggia mit Dachterrasse in jüngere Zeit geschlossen worden ist. Abgeschlossen wird der ältere Teil des Herrenhauses durch ein Mansarddach, das nach Osten und Westen abgewalmt ist.

 

Das Innere des Herrenhauses wurde den jeweiligen Raumbedürfnissen seiner wechselnden Nutzer entsprechend verändert.


Das Gärtnerhaus

Das Gärtnerhaus ist im rechten Winkel zum Herrenhaus auf der Ostseite des Wirtschaftshofes aufgeführt. Der eingeschossige massive Putzbau von fünf Achsen ist nicht unterkellert und mit einem Krüppelwalmdach abgeschlossen. Über den Eingang ist eine Fledermausgaube angeordnet. Hervorhebenswert sind die 0,55m betragende Wandstärke des Gebäudes und der liegende Dachstuhl mit verblatteten Hölzern. Der Dachraum, dessen nördlicher Giebel in Fachwerk ausgeführt ist, beherbergt eine Räucherkammer.


Die Scheune

In südlicher Verlängerung des Gärtnerhauses ist die langgestreckte Scheune aufgeführt, deren Südgiebel gemeinsam mit dem straßenbegleitenden Getreidespeicher in der Straßenfront eingebunden ist. Bis in Höhe der Tore besteht sie überwiegend aus Feldstein mit kleineren Ziegelanteilen. Über den Toren wird das Mischmauerwerk durch außen verputztes Ziegelmauerwerk abgelöst. Vermutlich wurde die Scheune mit einer Durchfahrt zum Nutzgarten hin in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erhöht, was auch das vergleichsweise flache Satteldach erklären würde.


Der Getreidespeicher

Rechtwinklig und den Straßenverlauf markierend schließt sich an die Scheune der Getreidespeicher an. Ursprünglich wurde der etwa 30m x 12m große massive Bau als Pferdestall, Speicher und Brennerei genutzt. An letztere Nutzung erinnern nur noch die überkommenen Gewölbetonnen. Die westliche Schmalseite des Speichers besitzt zur Einfahrt in den Wirtschaftshof hin einen Krüppelwalm. Die Dachkonstruktion ist als doppelter stehender Stuhl mit Drempel und doppelter Kehlbalkenlage ausgebildet.

 

- Der Getreidespeicher ist im Ensemble nicht mehr vorhanden. - 


Der Kälberstall

Das Pendant zum Getreidespeicher bildet der Kälberstall mit den gleichen Abmessungen und gleichartiger baulicher Ausformung. Die beiden Baukörper markieren die Einfahrt zum Wirtschaftshof. Während der Speicher jedoch fast ausschließlich in Ziegelbauweise errichtet wurde, ist beim Kälberstall straßenseitig bis in Höhe der kleinen Rechteckfenster Feldsteinmauerwerk sichtbar. Bemerkenswert sind die verwendeten Ziegelformate von 29cm x 14cm x 7,5cm. Die Dachkonstruktion besteht aus einem jüngeren doppelt stehenden Stuhl.


Die Werkstatt

Nördlich des Kälberstalles, jedoch nicht mit diesem baulich verbunden, ist die eingeschossige Werkstatt über rechteckigem Grundriss mit abschließendem Satteldach aufgeführt. Obwohl erst in den 50er oder 60er Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet, nimmt das Gebäude die Proportionen anderer Baulichkeiten der Gutsanlage, hier insbesondere des Melkerhauses, auf und bildet mit diesem den westlichen Raumabschluss des Wirtschaftshofes. 


Das Melkerhaus

In nördlicher Verlängerung der Werkstatt steht das eingeschossige Melkerhaus. Sein massiv in Mischmauerwerk ausgeführtes und an den Längsseiten verputztes Erdgeschoss hat eine stattliche Wandstärke von zirka 67cm und beherbergte im südlichen Teil die Melkergehilfen und im nördlichen Bereich den Melkermeister. Das südliche Dachgeschoss diente als Getreideboden, der nördliche Teil ist zu Wohnzwecken ausgebaut und besitzt neben Fachwerkwänden auch Lehmputzdecken. Dieser in Fachwerk ausgeführte Teil ist mit einem Krüppelwalm abgeschlossen. Erwähnenswert sind hier auch der gezogene Schornstein und der doppelt stehende Stuhl mit zweifacher Längsaussteifung.


Das Taubenhaus

Westlich des Melkerhauses und damit abseits des großen Wirtschaftshofes hat ein vorwiegend aus Feldsteinen errichteter Baukörper mit Krüppelwalmdach seinen Standort, der als Schweinestall / Taubenhaus genutzt wurde. Sämtliche Tür- und Fensteröffnungen sind stichbogig und besitzen eine schmückende Backsteinrahmung. Ebenso werden die Gebäudeecken betont. Auf der Ostseite sind unmittelbar unter der schützenden Traufe zahlreiche Schlupflöcher für die Tauben angeordnet.


Landschaftsbild

An die Gutsanlage grenzt in nördlicher Richtung ein mit nur wenigen markanten Einzelbäumen und Baumgruppen bestandener Bereich von landwirtschaftlich genutzten Flächen und eine bis über die "Kleptna" reichende Wiesenauenlandschaft. Östlich schließt daran ein dichter wald- und hainartiger Baumbestand an, an dessen nordöstlichem Ende sich inmitten einer im Halbrund errichteten Feldsteinumfriedung die Grabstätte der Familie Kehrhahn befindet. Einige stattliche Altbäume (Linden und Kastanien) finden sich auf dem Wirtschaftshof, östlich des Hofes liegt der frühere Nutzgarten.

 

Der gutshausnahe Bereich wurde mit dem Umbau in der 1920er Jahren mit Terrassierungen und Mauern intensiver gestaltet und damals sicher auch mit einer repräsentativen Bepflanzung versehen, von der jedoch bis auf wenige Sträucher und Klettergehölze nichts mehr vorhanden ist. 

 

Von der Nordseite des Gutshauses ergibt sich ein hervorragender Ausblick weit in eine von Wiesenauen und landwirtschaftlichen Nutzflächen geprägte reizvolle Landschaft. Dieser Bereich erreicht eine ästhetische Wirkung durch seine Unberührtheit, die kaum weiterer gartenkünstlerischer Gestaltung bedurfte. Der Effekt dieser im Sine einer "ornamented farm" bis an das Gutshaus heranreichenden scheinbar gestalteten Wiesenauenlandschaft war den Besitzern ganz offensichtlich bewusst und wurde in dieser Form gewollt als ein dem Gutshaus vorgelagertes und von diesem erlebbares Landschaftsbild in das Gesamtkonzept der Gutsanlage einbezogen. 

 

Auch der östliche angrenzende wald- und hainartige Bereich bedurfte kaum größerer Umgestaltungen. Mit bereits vorhanden gewesenen Altbäumen wurde diese Zone relativ naturbelassen als eine dem Gutshaus zugeordnete parkartige Anlage genutzt, in der, dem Repräsentationsbedürfnis der Besitzer entsprechend, auf einer sanften Anhöhe auch die Grabstätte der Familie eingeordnet wurde.

 

Das Ensemble von parkartiger Partie mit Grabstätte und Wiesenaue als dem Gutshaus zugeordnetes Landschaftsbild war in seinen Grundzügen als natürliche Landschaft vorhanden, sodass die gartenkünstlerische Leistung weniger in einer Neugestaltung als in der Bewahrung und Einbeziehung der natürlichen Gegebenheiten bestand. Die so historisch entstandene reizvolle Gesamtsituation, zu der auch der Altbaumbestand des Gutshofes und der zugeordnete ehemalige Nutzgarten beitragen, ist ortbildprägend und von gartenhistorischem Interesse.

 


Gutachtliche Äußerung zum Denkmalwert
Bezeichnung: Gutsanlage mit Herrenhaus, Wirtschaftsgebäuden (Gärtnerhaus, Melkerhaus, Scheune, Getreidespeicher, Kälberstall, Schweinestall/Taubenhaus, Anordnung und Proportionen der Werkstatt), Hofpflasterung, Altbaumbestand im Gutshof, umliegender Park- und Gartenlandschaft sowie Grabstätte

Berlin, 23.02.1996
Dr. Dieter Hübner / Alexander Niemann
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege
Brüderstraße 13, 10178 Berlin